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„Coverversions“ und „Samplings“ nennt Volker Stollberg seine Bilder. Mit diesen Begriffen aus der modernen Musikszene bezeichnet er zwei Grundrichtungen seiner Werke, die ansonsten keine Titel tragen. In den „Coverversions“ wird ein vorgegebenes, gefundenes Bild aus der Kunst, dem Alltag oder der Lebensumgebung des Künstlers verändert, weiter gedacht, in Frage gestellt. Es ist Ausgangspunkt für einen kreativen Umgang mit dem, was den Künstler intuitiv an dem Gefundenen berührt: ein malerisches Detail, ein bestimmter Inhalt oder eine artifizielle Idee. Die „Samplings“ verarbeiten dagegen nicht nur ein Motiv, sondern erhalten ihre Lebendigkeit aus der collagenartigen Kombination verschiedener Motive aus unterschiedlichen Kontexten und Zeiten.
Allen Bildern gemeinsam ist jedoch der für das Werk des Künstlers charakteristische Umgang mit Wachs, in das die gefundenen Bilder eingebettet werden. Durch ihn werden sie weiterverarbeitet, verfremdet oder in ihrer Aussage unterstützt. Ob sie nun durch dicken Wachsauftrag wie hinter einem Schleier verschwinden, ob sie durch in das Wachs eingeriebene Pigmente eine neue Farbigkeit erhalten oder ob durch aus dem Bild herauswachsende, klar abgegrenzte Wachsflächen verschiedene konkurrierende Bildflächen geschaffen werden — immer werden die eingefahrenen Sehgewohnheiten aufgebrochen zugunsten einer neuen Sicht und unkonventioneller Perspektiven auf scheinbar Bekanntes oder Alltägliches hin. Stollberg schafft erstaunliche Durchblicke, Einblicke und Ausblicke, Fenster, durch die Altes neu wahrgenommen wird. Dem Wachs kommt hierbei in seiner Kombination mit den aufgetragenen Farbpigmenten und den ver- schiedentlich eingearbeiteten Papieren eine große bildnerische Bedeutung zu. Oft übernimmt er die Aufgabe eines versiegelnden Firnis, der seinerseits aber — aufgrund der Materialbeschaffenheit — äußerst verletzlich ist. Ebenso häufig wird mit dem Wachs eine plastische Landschaftskarte auf der Bildoberfläche entworfen, die durch Erhebungen und Täler, Gebirge und Schluchten den Rahmen des ursprünglich gefundenen Bildes sprengt und zugleich die Vielfalt der Verarbeitungsmöglichkeiten des Werkstoffes dokumentiert.
Das Werk Volker Stollbergs ist sehr eng mit seiner Biographie verknüpft. Bevor er sich 1986 der freien Kunst zuwandte, arbeitete er im Bereich der angewandten Kunst, in dem er als Siebdrucker und später als Mitbegründer eines Keramikateliers erfolgreich mit und für verschiedene Künstler von Rang tätig war. Hier wurden die Grundlagen für seine heutigen Arbeiten gelegt: Materiell in Form von Drucken, die als gefundene Bilder oft Ausgangspunkt für seine Bildfindungsprozesse wurden, ideell in seiner Grundoption, dem Gefundenen in einem neuen Kontext neue Bedeutung zuzusprechen, das Althergebrachte erneut in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen.
Wer sich unbefangen auf die Bilder Volker Stollbergs einlässt, wird nicht nur beeindruckt sein von dem variationsreichen und virtuosen handwerklichen Umgang mit dem Werkstoff Wachs, den der Künstler zu Beginn der neunziger Jahre experimentell ausgelotet hat, sondern der Betrachter wird vor allen Dingen gefesselt sein von der Art und Weise, wie durch die Arbeitstechnik des Künstlers gefundene Bilder in hintere Bildebenen verlegt werden, und dadurch nicht nur die Vergangenheit der alten Bilder sinnfällig, sondern auch die Notwendigkeit einer je neuen Lektüre des Gewesenen herausgestellt wird.
Dominik M. Meiering
Kunsthistoriker M.A.
Volker Stollberg calls his pictures "Coverversions" and "Samplings", and uses these notions from the modern music scene to indicate two basic directions for those of his works which would otherwise be untitled. In "Coverversions" a predetermined, established picture from the art, everyday life or surroundings of the artist is changed, considered further, called into question. It is a starting point for creative contact with what has touched the artist intuitively in the image: a picturesque detail, certain content or an artificial idea. The "Samplings", however, do not just consider only one topic, but get their vitality from a combination of collages from diverse themes in different contexts and times.
The one thing which all pictures have in common is their treatment with wax, in which images are embedded and which is characteristic of the work of the artist. In this way, the images are sometimes emphasized, occasionally alienated or even simply supported in their statement. Whether they disappear under thick layers of wax as though behind a veil, receive a new colour spectrum from having pigments rubbed in, or whether different competing image levels are created by clearly separated wax surfaces growing out of the picture - our usual viewing habits are always expanded in favour of a new dimension and unconventional perspectives on apparently well known or everyday occurrences. Stollberg creates astonishing perspectives, insights and outlooks, windows by which the old is perceived new. In this connection, the wax - in combination with the applied pigments and the occasionally worked-in papers - achieves high visual / sculptural importance. It often takes over the task of a sealing varnish, is however extremely vulnerable on account of the material’s consistency. Just as frequently, a three dimensional landscape is designed within the wax on the picture surface, which breaks open the frame of the original picture by creating elevations and valleys, mountains and ravines, at the same time demonstrating the material’s diverse processing potential.
Volker Stollberg’s work is very closely tied in with his biography. Before he turned to free art in 1986, he worked with different artists of rank in the field of applied art, in which he was active first as a screen printer and later as joint founder of a ceramics studio. Here the fundamentals for his current works were laid: materially in the form of printing, many such prints becoming a starting point for his pictorial composition; conceptually to award the “found” a new context to its basic option, a new meaning, to view the traditional again and so to question it.
Anyone who allows themselves an unbiased excursion into Volker Stollberg’s pictures will be impressed, not only by the diversity of his technical skills with wax, which the artist has experimentally developed since the beginning of the nineties, but most importantly will also be fascinated by the way in which the artist’s technology places the “found” pictures as a backdrop to the image. In this way, not only is the history of the old picture accentuated, but also the necessity for an ever new interpretation.
Dominik Meiering
Kunsthistoriker M.A.